Von Julia Culver

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Freiflug

Fehler erlaubt. Irrtum willkommen!

Was bedeutet „Fehlerkultur“ in einer agilen Welt? Immer mehr Unternehmen wollen eine Fehlerkultur etablieren und fordern im Zuge dessen ihre Mitarbeiter auf nicht nur offen über Fehler zu sprechen, sondern manchmal sogar Fehler zu umarmen. Denn wie heißt es so schön: „Nur aus Fehler kann man lernen“. Was heißt das jedoch im Konkreten für die…

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Was bedeutet „Fehlerkultur“ in einer agilen Welt?

Immer mehr Unternehmen wollen eine Fehlerkultur etablieren und fordern im Zuge dessen ihre Mitarbeiter auf nicht nur offen über Fehler zu sprechen, sondern manchmal sogar Fehler zu umarmen. Denn wie heißt es so schön: „Nur aus Fehler kann man lernen“. Was heißt das jedoch im Konkreten für die Arbeitsweise und den Umgang unter den Kollegen?

Oft ist der Anfang bereits sehr schwer: eine Fehlerkultur zu etablieren. Bei einem Firmenevent steht der Geschäftsführer vor seinen Mitarbeitern und berichtet, wie das letzte Jahr gelaufen ist. Beim Blick in die Zukunft appelliert er an das Publikum: “Und im kommenden Jahr arbeiten wir daran, unsere Fehlerkultur zu verbessern.“ Wie so oft im Leben ist eine Aufforderung etwas zu tun oder nicht zu tun für das Gegenüber nicht immer auch sofort umsetzbar. Oftmals fehlt es an konkreten Ideen oder Vorschlägen die alles in Gang bringen könnten.

Wie also können wir es schaffen eine Fehlerkultur in einem Unternehmen zu etablieren? Fangen wir zuerst mit einer kleinen Begriffsdefinition an. Im Duden gibt es unter anderem die Definition, dass ein Fehler etwas ist, dass „… falsch ist, vom Richtigen abweicht…“. Das setzt voraus, dass wir wissen, was richtig ist. Derjenige, welcher gerade einen Fehler begeht, hat also theoretisch zu diesem Zeitpunkt bereits die Möglichkeit zu erkennen, was richtig und was falsch ist. Er könnte den Fehler vermeiden.

Warum passieren Fehler dann überhaupt? Zum Beispiel hat ein neuer Kollege etwas noch nie zuvor gemacht. Er hat nichts ahnend einfach probiert, ob er mit seinen Ideen weiterkommt. Vielleicht gibt es jedoch eine erfahrene Kollegin, die ihm genau sagen könnte, dass er soeben dabei ist, einen Fehler zu machen. Natürlich lernt der neue Kollege (hoffentlich) durch seine eigenen Fehler, jedoch aus Sicht des Unternehmens kommen Projekte schneller voran, wenn wir nicht jedes Mal das Rad neu erfinden, sondern auf bereits vorhandenes Wissen zurückgreifen. Sind diese demnach meist vermeidbaren Fehler jene, welche beim Wunsch nach einer Fehlerkultur gefördert, akzeptiert und toleriert werden sollen? Vermutlich nicht. Was aber nicht bedeutet, dass jeder Fehler sofort bestraft oder anderweitig negativ behaftet behandelt werden sollte.

Mit vermeidbaren Fehlern umzugehen ist jedoch ein anderes Thema und hat etwas mit einem wertschätzenden Umgang zu tun.

Fehler? Irrtum!

Was meinen also die motivierten Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen, wenn sie von Fehlerkultur sprechen? Betrachten wir das Thema konkret am Beispiel eines agilen Arbeitsumfelds. Der Kern von agilen Methoden ist die stetige Verbesserung. Egal ob in Scrum oder Kanban – die Teams sollen sich regelmäßig zusammensetzen und darüber reflektieren, was sie verbessern können. Damit sie jedoch damit überhaupt einmal anfangen können, müssen sie erkennen, wo sie Potential zur Verbesserung haben, egal ob zwischenmenschlich, in vorhandenen Unternehmensprozessen oder bei der Technik.

Dabei muss nicht immer ein Fehler geschehen sein. Fehler können, wie wir in der Definition weiter oben gesehen haben, vermutlich schneller behoben werden, weil das richtige Verhalten klar ist.

Ganz anders verhält es sich jedoch mit Irrtümern. Denn in Projekten gibt es oftmals Aufgaben, welche durch ihre Einmaligkeit nicht von Anfang an eine „richtige“ Lösung haben. Hierbei bedarf es dann oftmals eine Vielzahl von Versuchen, um die richtige Lösung zu finden. Jeder fehlgeschlagene Versuche stellt demnach einen Irrtum dar, welcher die Entwickler der richtigen Lösung näherbringt. Diese Irrtümer sind wichtig und entscheidend, weil nur dadurch das Projekt auf lange Sicht auch zum Ziel kommt.

Es erfordert mutige Experimente und Querdenker, welche sich in einem geschützten Bereich, zum Beispiel in Innovation-Sprints, frei bewegen können und sich mit einem iterativen Vorgehen an die beste Lösung herantasten. Schließlich hat auch Edison die Glühbirne nicht bereits beim ersten Versuch erfunden.

Vom Irrtum zur Goldader

Unternehmen beabsichtigen mit ihrem Plädoyer für Fehlerkultur vermutlich nicht mehr Fehler in ihrem Produkt; sie wollen auch nicht, dass jeder einfach mal macht, ohne vorher sich zumindest ein paar Gedanken gemacht – und bereits vorhandenes Wissen in der Firma – genutzt zu haben. Was ein Unternehmen jedoch langfristig einen großen Sprung nach vorne bringen kann, oder heutzutage zumindest am Markt bestehen lassen kann, ist, wenn Mitarbeiter in unerforschten Gebieten Experimente durchführen können und auch nach mehreren Irrtümern dran bleiben. Nur dann besteht überhaupt die Chance, dass man eines Tages auf eine Goldader trifft.

Fehler sind erlaubt. Irrtümer sind explizit erwünscht!


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