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Sägen, kleben und programmieren
An einem Freitagvormittag fahre ich zum MakerSpace in Garching und schaue meinen Kollegen beim Prototypen zu. 16 Software-Ingenieure und IT-Berater schrauben, kleben und malen an ihren Modellen. Jeder Prototyp löst eine Aufgabe im Projekt eines Workshop-Teilnehmers. Zum Beispiel die Frage, wie die neue Filterfunktion in einer Web-App für Hotelsuche aussehen könnte. Ankreuzfelder, Dropdown- oder ausklappbare Menüs sind…
An einem Freitagvormittag fahre ich zum MakerSpace in Garching und schaue meinen Kollegen beim Prototypen zu. 16 Software-Ingenieure und IT-Berater schrauben, kleben und malen an ihren Modellen. Jeder Prototyp löst eine Aufgabe im Projekt eines Workshop-Teilnehmers. Zum Beispiel die Frage, wie die neue Filterfunktion in einer Web-App für Hotelsuche aussehen könnte. Ankreuzfelder, Dropdown- oder ausklappbare Menüs sind auf Mobilgeräten mit kleinen Displays schwer zu bedienen. Die Prototypenbauer probieren mit ihrem Prototyp eine neue Visualisierung aus: Filter als drehbaren Scheiben.
Der Prototyp zeigt die Leistungsfähigkeit ihrer Lösung und macht sie anfassbar. Das Team begeistert die anderen Workshop-Teilnehmer – stellvertretend für Kunden und Vorgesetzte – mit wenig Zeit- und Kostenaufwand für seine Idee. Dabei brauchen Prototypen-Bauer Mut zur Lücke: Der Prototyp stellt nicht systematisch alle Funktionen nach, um zukünftige Problemkonstellationen zu finden. Er gibt dem Betrachter einen ersten Eindruck über den Lösungsansatz. Ein Stakeholder kann ihn in die Hand nehmen, genau betrachten oder sich durch Mockups durchklicken. Dieser Eindruck gibt dem Betrachter Sicherheit: Statt in ein Konzept investiert er in eine anfassbare Lösung. Und lebt damit, dass auf dem Weg dorthin noch Probleme zu bewältigen sein werden.
Die Idee für ihren Prototypen haben die Workshop-Teilnehmer über mehrere Runden geschärft. Im ersten Schritt finden die Teilnehmer mit einem Game of Things (mehr hier) Lösungsideen für die Herausforderungen ihrer Mitspieler. Anschließend testet jeder Teilnehmer die beste Idee für sein Anliegen mit einem Pretotyp, einem frühen Prototypen. Das Team, das die Auswahlmöglichkeiten bei der Hotelsuche testet, spielt die Filterfunktion in einem Rollenspiel nach: Der „Mensch“ sagt dem „Filter“, wie sein Hotel sein soll: Stadthotel, zentrale Lage, mit Wellness-Bereich, Frühstück inklusive. Der „Filter“ gibt die Information an den Mitspieler „Anwendung“ weiter. „Anwendung“ beschreibt, wie Ergebnisse angezeigt werden. „Mensch“ versucht, mit den Filtern zu spielen – was sich als umständlich heraus stellt. Das Team lernt, dass der Nutzer zu enge Filter aufheben möchte, ohne die Suche neu zu starten. Pretotyping beschert dem Produktentwickler so erste Erkenntnisse für den Prototypenbau. Er sieht sofort mögliche Schwachstellen und Probleme.
Anschließend baut das Team die Filterfunktion der Hotelreservierungs-App als dreidimensionales Modell. Die drehbaren Scheiben liegen übereinander auf einem Zylinder. Zusammengehörige Filterkriterien teilen sich eine Ebene: Frühstück inklusive, Halbpension oder Vollpension stehen auf einem Ring, Swimming-Pool, Fitnessraum oder Wellness-Bereich auf einem anderen. Jeder Auswahlfilter kann zurück auf Null gedreht werden; das Kriterium schränkt die Ergebnisanzeige nicht mehr ein. Diese Mechanik ist für den Nutzer deutlich schneller zu bedienen als Ankreuzfelder oder Dropdown-Menüs.
Der Prototyp aus beschrifteter Pappe macht die Idee der Filterscheiben greifbar. Anschließend zeichnet das Prototypen-Team erste App-Screens auf Papier. Die gezeichneten App-Oberflächen werden mit POP digitalisiert: Die App fotografiert Papier-Screens ab und verlinkt anklickbare App-Elemente zum nächsten Screen. So kann man sich durch erste Screens durchklicken. Der digitale Prototyp bewährt sich in der Ergebnispräsentation: Die Kollegen, die als Kunden auftreten, verstehen die Filterlogik auf Anhieb und probieren sie aus.
Werkzeuge, Maschinen und Bastelmaterial für den Prototypenbau bekommen meine Kollegen im MakerSpace (hier online), einer voll ausgestatteten Werkstatt für Tüftler, Forscher, Start-ups und Prototypenbauer aus der Industrie. Der Ausflug der Prototypen-Bauer in die Hightech-Werkstatt gehört zum „Prototyping Camp“, eine von circa 60 Weiterbildungen aus dem Schulungskatalog von MaibornWolff. Die Mitarbeiter von MaibornWolff bestreiten die Schulungen aus dem Weiterbildungsbudget von einem Brutto-Monatsgehalt pro Jahr. Bei etwa zwanzig Schulungen sind Kollegen von MaibornWolff auch Trainer: Sie geben technische Expertise und Methodenwissen an Kollegen weiter. Themen der „Schools“ sind zum Beispiel Prototyping, Architekturen, Design Thinking, IT-Bebauung, DevOps oder JavaScript. Mehr über Weiterbildung bei MaibornWolff gibt es hier.
Übrigens: Über Prototypen haben wir in unserem Praxistipp geschrieben: mehr hier – oder unter dem Tag Prototyping.