Benedikt Wörner

Katharina Warak

Estimated reading time: 8 Minuten

Tech im Fokus

Schachmatt: Ein Mob hat es geschafft

Bei der diesjährigen German Testing Night in Frankfurt haben wir die Methode „Mob Testing“ an einer Partie Schach live erlebbar gemacht. Ungewöhnlich im Vergleich zu einer Mob-Testing-Session im Team: Wir wussten nicht, wer unser interaktives Format besuchen würde. Am Ende waren es gut 60 Interessierte, die in 8 Gruppen spielten. Beim MobTesting tauschen sich Teilnehmer mit unterschiedlichen…

Software-Testing
Testing-Koffer

Bei der diesjährigen German Testing Night in Frankfurt haben wir die Methode „Mob Testing“ an einer Partie Schach live erlebbar gemacht. Ungewöhnlich im Vergleich zu einer Mob-Testing-Session im Team: Wir wussten nicht, wer unser interaktives Format besuchen würde. Am Ende waren es gut 60 Interessierte, die in 8 Gruppen spielten.

Beim MobTesting tauschen sich Teilnehmer mit unterschiedlichen Wissensständen aus: Beim Schachspielen lernen beispielsweise Schach-Neulinge von erfahrenen Spielern; in einer Mob-Testing-Session mit Feature-Team und Fachabteilung erfahren die Team-Mitglieder zum Beispiel mehr über die Benutzung der Software von Power-Usern.

Eine detaillierte Beschreibung der Methode „Mob Testing“ gibt es in diesem Blog-Beitrag. In diesem Beitrag zeigen wir die Dynamik, die beim Schach spielen mit mehreren Personen entsteht, und welche Herausforderungen Spielleitern wie Teilnehmern dabei begegnen können. 

Die Rollenverteilung im Mob Test

Wir setzen kollaborative Testmethoden ein, um unterschiedliche Rollen einzubinden. Dadurch kann man die Kommunikation zwischen Rolleninhabern verbessern und Wissensinseln abbauen. Zusätzlich gibt es in einem Mob unterschiedliche Rollen und Interaktionsmuster.

  • Der Navigator beschreibt Schritt für Schritt, was der Fahrer (Driver) umsetzen soll. In unserem Fall beschreibt er, welcher Schachzug als nächstes durchgeführt wird.
  • Der Fahrer ist für die Umsetzung der Anweisungen des Navigators zuständig. Er hat eine rein ausführende Tätigkeit: Er denkt und diskutiert nicht mit.
  • Die Mob-Mitglieder stehen dem Navigator für Rückfragen zur Verfügung. Sollte der Navigator nicht mehr weiterkommen, kann er den Mob um Rat fragen.
  • Die Rolle des Facilitators wechselt als einzige nicht. Dieser ist für die Beobachtung des Geschehens zuständig und achtet auf die Einhaltung der Regeln, etwa Rotation, Fahrer-Navigator-Prinzip.

Diese erklären wir den Teilnehmern zu Beginn.

Jede Rolle hat eine klar definierte Aufgabe
Jede Rolle hat eine klar definierte Aufgabe

Da die Rollen, abgesehen vom Facilitator, regelmäßig rotieren, haben wir uns bei der German Testing Night für eine Rotation nach jedem zweiten Schachzug entschieden. Somit gab es zu jedem dritten Schachzug einen neuen Navigator und einen neuen Fahrer. Dies ermöglicht es, jedem Teilnehmer mehrfach in alle Rollen zu schlüpfen.

Für eine erfolgreiche Wissensvermittlung ist es wichtig, dass in jedem Mob unterschiedliche Wissensstände vorhanden sind. Bei der German Testing Night haben die Teilnehmer voneinander Schachspielen gelernt.

Im ersten Schritt haben sie sich, ihren Schachkenntnissen entsprechend, in verschiedene Kategorien eingeordnet:

  • Junior: bisher keine oder sehr wenig Schacherfahrung
  • Senior: grundlegende Schachkenntnisse, bereits ab und an gespielt
  • Expert: Erfahrung im Schachspiel und in unterschiedlichen Strategien

Anschließend bildeten wir die Gruppen so, dass die Gruppen vergleichbar waren. Wir spielten an vier Schachbrettern und somit acht Mob-Gruppen mit jeweils etwa sieben Teilnehmer. Je zwei Gruppen traten gegeneinander an.

Für jedes Brett stellten wir von MaibornWolff einen Facilitator, der auf die Einhaltung der Rollen, Regeln und die Rotation achtete.

Der Spielverlauf

In den meisten Teams wurde die Rolle des Navigators mit einem Senior oder einem Experten besetzt, um direkt eine strukturierte Spieleröffnung zu haben. Die Junior-Schachspieler waren Teil des Mob oder Fahrer. Als Fahrer wird kein Vorwissen im Schach benötigt, da die Anweisung für den nächsten Spielzug vom Navigator bestimmt wird.

Der Navigator gab die erste Anweisung, gemischt mit einer Erklärung über den Sinn dieses Zugs: „Bauer von G2 auf G4 vorrücken, um dem Läufer im nächsten Zug zu ermöglichen, seinen Platz zu verlassen“. So ging es Zug um Zug. Zunächst waren die Teilnehmer etwas zurückhaltend und irritiert, da jede geführte Strategiediskussion direkt beim Gegner landet. Da dieser Umstand beide Teams betraf, wurde sie irgendwann Teil des Setups.

Die Junior-Schachspieler waren in der Rolle des Navigators zunächst zurückhaltend – vermutlich, um Fehler zu vermeiden. Dies führte regelmäßig dazu, dass die Mitglieder des Mobs um Rat gefragt wurden. In dieser Situation konnten die erfahreneren Spieler mit Tipps und Tricks weiterhelfen.

War die Rolle des Fahrers mit einem Schach-Experten belegt, fiel es ihm oder ihr meist schwer, keine Ratschläge zu geben. Teilweise bat ein weniger erfahrener Navigator in dieser Situation um eine Empfehlung des Fahrers. Dann war es Aufgabe des Facilitator, ans Einhalten der Rollen zu erinnern.

Die Rotation der Rollen nach jedem zweiten Schachzug funktionierte sehr schnell; die Facilitator mussten sie kaum aktiv ansprechen. Hier war zu beobachten, dass vor allem Schach-Junioren in der Rolle des Navigators darauf achteten, keinen dritten Schachzug ansagen zu müssen.

Um den Teilnehmern Zeit für Debriefing und Erfahrungsaustausch zu heben, haben wir drei der vier Schachpartien nach 45 Minuten abgebrochen. Das vierte Match war gerade sehr spannend: Gut 30 Sekunden vor Ende unterlief einer Gruppe ein folgenschwerer Fehler. Sie öffneten den direkten Weg zum König und hatten keinerlei Deckung im Umkreis. Die gegnerische Gruppe sah die Option, und im nächsten Zug war es vorbei: Schachmatt!

Die Gruppe war überrascht, welche Auswirkungen eine kleine Unaufmerksamkeit haben kann und wie schnell dadurch ein Schachmatt herbeigeführt wurde.

Debriefing mit 60 Teilnehmern

Mit diesem Erfolg im Rücken versammelten wir die Teilnehmer zum Debriefing, das wir nach der „PROOF-Methode“ entwickelten. Dabei beurteilen die Teilnehmer die vorangegangene Session aus fünf Blickwinkeln:

  • Past – Was ist in den letzten Minuten passiert?
  • Results – Was haben Sie gefunden / Was ist Ihnen aufgefallen?
  • Obstacles – Welche Probleme haben Sie gehabt?
  • Outlook – Was muss beim nächsten Mal noch geändert werden?
  • Feelings – Was halten Sie von der Methode?

Da uns ein Debriefing mit 60 Teilnehmern wenig effizient erschien, haben wir die Gruppen (je Schachpartie) abstimmen lassen. So gab es lebhafte Diskussionen und die Möglichkeit, die ein oder andere Anekdote aus dem Projektleben zu erzählen oder spezifische Fragen zu beantworten.

Unsere Learnings

Mit dem Konzept “Schachspielen” konnten wir die große Runde mit 60 Menschen gut abholen. Wir empfehlen es ab acht Teilnehmern, die in zwei Gruppen an einem Brett gegeneinander spielen. Sollte die Lerngruppe größer 16 Teilnehmer sein, empfiehlt es sich, ein zweites Schachbrett zu eröffnen. Hintergrund: Ist ein Mob zu groß, steigt die Durchlaufzeit für die Rollen und der Lernerfolg nimmt spürbar ab.

Auch im Projektgeschäft hat sich gezeigt, dass ein Mob mit mehr als acht Teilnehmern an Effizienz verliert und die benötigte Zeit für eine Session zu lang wird. Bei einer Mob-Testing-Session sollte jeder Teilnehmer die Chance haben, mindestens zweimal jede Rolle aktiv einnehmen zu können. Nach unserer Erfahrung läuft die zweite Runde deutlich effektiver und effizienter, da die Teilnehmer jede Rolle bereits erlebt haben. Sie können sich entsprechend auf ihren nächsten Einsatz als Navigator vorbereiten.

Die Teilnehmer fanden sich schnell in ihre Rollen ein. Den Wissentransfer konnten wir belegen: Teilnehmer aus der „Junior“-Gruppe bestätigten etwa, nach nur 45 Minuten Spielzeit die möglichen Züge der einzelnen Figuren zu kennen.

Je nach Facilitator wurde die Einhaltung der Rollen und deren Aktivitäten unterschiedlich strikt eingefordert. So gab es ab und an die Situation, dass ein Experte sich als Driver an der Diskussion beteiligt, oder der Mob ungefragt eine Anweisung an den Driver gegeben hat, statt sie über den Navigator laufen zu lassen.

Die Wechsel zwischen Driver, Navigator und Mob-Teilnehmer waren auf Züge ausgelegt. Damit gab es keinerlei zeitliche Begrenzung. Für einige Züge tauschten sich die Gruppen sehr lange aus. Beim nächsten Workshop werden wir die verfügbare Zeit limitieren. Eine erste Idee ist der Einsatz einer Schachuhr.

Welche Erfahrung hast Du mit Mob Testing gemacht? Was war Dein Use Case? Ich freue mich über Ideen per Kommentar oder E-Mail.


Über den Autor

Benedikt Wörner

Katharina Warak