Niels Boecker

Voraussichtliche Lesedauer: 11 Minuten

TalkAbout

Usability-Check: So testest Du Aufgabenangemessenheit

Usability beschreibt laut der offiziellen DIN-Norm „das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.“ Eines der wichtigsten Werkzeuge, die wir in unserer Arbeit entwickelt haben, sind die Usability-Karten. In kompakter Form haben wir unser Wissen und unsere Erfahrungen…

TalkAbout

Der Begriff „Usability“ ist in aller Munde, fast schon ausgelutscht. Dennoch stolpert man immer wieder über Software – oder auch Alltagsgegenstände – bei denen die einfachsten Grundprinzipien der Usability gebrochen werden. Es scheint also hier und da doch noch ein wenig Nachholbedarf zu geben.

Was genau steckt also hinter dem Begriff Usability? Das kann man in der offiziellen DIN-Norm nachlesen: Es handelt sich um „das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.“

Eine Herzensangelegenheit: Die MaibornWolff Usability-Karten

Usability wird bei MaibornWolff großgeschrieben: Seit über fünf Jahren beschäftigen wir uns in einer eigenen Community mit Usability, User Experience und User-Centered Design. Eines der wichtigsten Werkzeuge, die wir dabei entwickelt haben, sind unsere Usability-Karten. In kompakter Form haben wir unser Wissen und unsere Erfahrungen kondensiert, um damit jederzeit leichtgewichtig ins nächste Projekt zu starten.

Das Kartendeck ist in sieben Kategorien aufgeteilt, die sich grob an der DIN-Norm EN ISO 9241-110 orientieren. Doch auch weitere bedeutende Usability-Heuristiken und Regelwerke haben die Karten geprägt, etwa Jakob Nielsens Prinzipien für Interaktionsdesign und Ben Shneidermans Regeln des Interface-Designs. Und wir haben unsere eigenen Projekterfahrungen einfließen lassen. Das Kartenset ist „unser Baby“ – es ist praxiserprobt und entwickelt sich ständig weiter.

Jede Kategorie besteht aus fünf bis zehn Karten, die sich mit einem bestimmten Aspekt der Gestaltung von Dialogen und User-Interfaces befassen. Auf der Rückseite findet sich neben einem zentralen Zitat aus der DIN-Norm eine Zusammenfassung des Kerngedankens in bekömmlicherer Sprache. Auf den Vorderseiten stehen unterschiedliche Fragestellungen, Beispiele, Hinweise und Regeln.

Die Bedienungsanleitung zu den Usability-Karten

Leichter geht es nicht: Schlage einfach die Themen nach, die dich gerade interessieren, oder lass dich von den Beispielen und Illustrationen inspirieren. Vom blutigen Anfänger bis zum gewieften UX Engineer bieten die Usability-Karten für jeden etwas. Hier geht’s direkt zum Download von Teil 1.

Wer schon einige Erfahrungen mit der Thematik gesammelt hat, kann die Karten als leichtgewichtiges Nachschlagewerk benutzen: Nicht zuletzt eignen sich die formalen, unwiderlegbaren ISO-Normen als wunderbare Argumentationsbasis, um etwa Designentscheidungen gegenüber dem Kunden zu rechtfertigen.

Außerdem können wir die Karten als Werkzeugkiste einsetzen. Sie helfen, die wichtigsten Eckpfeiler im Überblick zu behalten – oder kennenzulernen. Klare Fragestellungen, knappe Leitlinien und anschauliche Beispiele dienen dazu, Usability-Aspekte besser zu verstehen. Sie laden dazu ein, einfach zu stöbern und Neues kennenzulernen.

Besonders gut eigenen sich die Karten außerdem für einen Use-Case-getriebenen Usability-Check eines bestimmten Produkts. Das kann zum Beispiel so ablaufen:

  • Versetze dich in eine vorher festgestellte Benutzerrolle und nehme dir vor, einen spezifischen Use-Case auszuführen.
  • Nehme dir eine Karte vom Usability-Check Kartenstapel.
  • Betrachte die Use-Case-Ausführung unter der Fragestellung deiner Karte.
  • Dokumentiere festgestellte Probleme und Schwachstellen.
  • Nimm dir die nächste Karte …

Aufgabenangemessenheit: Was verbirgt sich hinter dem Wort­un­ge­tüm?

Die erste Kategorie ist die sogenannte „Aufgabenangemessenheit“. Hinter dem DIN-typisch deutsch-klobigen Begriff verbergen sich einige wertvolle Prinzipien, um die Usability eines Systems signifikant zu verbessern.

Ein System ist den Aufgaben angemessen, wenn seine Nutzer Aufgaben erfolgreich erfüllen können – und dies in möglichst kurzer Zeit. Frei von Irritationen und unnötigen Informationen können sie fokussiert arbeiten. Das Design des Interfaces wird dabei nicht von den technischen Begebenheiten geleitet, sondern von der Natur der Aufgabe, die der User lösen möchte. Die DIN-Norm definiert das Kriterium so:

“Ein interaktives System ist aufgabenangemessen, wenn es den Benutzer unterstützt, seine Arbeitsaufgabe zu erledigen, das heißt, wenn Funktionalität und Dialog auf den charakteristischen Eigenschaften der Arbeitsaufgabe basieren, anstatt auf der zur Aufgabenerledigung eingesetzten Technologie.”

Quelle: DIN EN ISO 9241-110

Mit 5 Fragen zu besserer Aufgabenangemessenheit

Um uns der Thematik „Aufgabenangemessenheit“ praktisch und spielerisch zu nähern, haben wir sie für die Usability-Karten auf fünf Fragestellungen heruntergebrochen:

1. Beschränkt sich ein Dialog auf die notwendigen UI-Elemente und Informationen?

Weniger ist mehr! Vermeide zu viele Informationen oder unnötige Interaktionselemente, um deinen Nutzer nicht zu irritieren. Google macht es vor: Das Interface der Websuche ist denkbar einfach gehalten. Diese Gestaltungsrichtlinie zieht sich durch alle Produkte, Webseiten und Apps des Internetgiganten. Die von Google entwickelte Designsprache „Material Design“ ist heute weit verbreitet und wirkt nach wie vor hochwertig und professionell.

Auch Apple-Produkte folgen dieser Maxime. Nur das absolute Minimum an interaktiven Elementen, das den Nutzer effizient zum Ziel führt, kommt zum Einsatz. Jeder Button, jede Schnittstelle, jede Kopfhörerbuchse, die verzichtbar ist, wird gnadenlos wegrationalisiert.

Die Quintessenz lautet: Biete dem Nutzer nur die Interaktionselemente an, die er für die aktuelle Aufgabe benötigt.

2. Sind Dialogtexte so kurz und bündig wie möglich und nötig?

Hast du den Text in diesem Dialogfeld gewissenhaft bis zum Ende gelesen? Eben. Nutzer wünschen sich knappe, präzise Informationen, die sie schnell erfassen können. Gerade in Dialogen werden Texte werden oft mehr überflogen als gelesen – häufig antizipiert der Nutzer den Inhalt durch den aktuellen Kontext sowieso. Genau wie bei Buttons oder Kopfhörerbuchsen gilt hier also: Jedes Wort, das nicht unbedingt nötig ist, wird gestrichen.

Beachte bei Dialogtexten daher folgende Regeln:

  • Formuliere aktive Sätze.
  • Schreibe prägnant und präzise.
  • Spreche den User/die Userin persönlich an.
  • Bilde einfache Sätze ohne Abkürzungen und Fremdwörter.
  • Drücke dich durchgängig positiv aus.

Eine vereinfachte, kürzere Version des Beispieldialogs könnte etwa so aussehen:

3. Haben alle UI-Elemente die plattformabhängige Mindestgröße?

Bei der Konzeption und Entwicklung eines Systems sollte stets in Betracht gezogen werden, auf welchen Plattformen es zum Einsatz kommen wird. Je nach Kontext gelten andere Anforderungen hinsichtlich der Bedienungsfreundlichkeit. Die Faustregel: Deine Applikation sollte auf allen gängigen Plattformen leicht zu bedienen sein.

Sorge also dafür, dass alle wichtigen Interaktionselemente sowohl mit der Maus als auch mit dem Finger fehlerfrei bedient werden können. Unterschreite bei Buttons nicht die plattformspezifische Mindestgröße und setze sie in einen angemessenen Abstand zueinander. Weil ein Finger naturgemäß weniger grazil als ein Mauszeiger ist, heißt das: Mehr Luft und größere Schaltflächen für Smartphone- und Tablet-Nutzer.

Mobile Geräten werden häufig einhändig benutzt. Es gibt dann rein physikalisch bedingt Bereiche des Displays, die besser erreichbar sind als andere. Beachte daher bei Touchscreens, dass die wichtigsten Elemente auch bei einhändiger Bedienung gut zu erreichen sind.

4. Unterstützt das System den Nutzer durch sinnvolle Vorbelegungen und Vorauswahlen?

Seien wir ehrlich: Formulare sind lästig. Manchmal kommt man aber nicht um sie herum. In diesen Fällen gilt: Unterstütze deinen Nutzern so gut wie möglich, indem du ihm anbietest, ein Formular mit bekannten Daten zu füllen.

Das kann zum Beispiel so aussehen, dass dem Nutzer passende Vorschläge zur Autovervollständigung angezeigt werden. Sind also Name und Mailadresse eines Nutzers schon bekannt, so sollten diese Informationen auch genutzt werden.

Außerdem umfasst dieser Aspekt auch sinnvolle Standardwerte. Wenn etwa bekannt ist, dass 95% des bestehenden Kundenstamms eines Unternehmens aus dem eigenen Land kommen, ist diese Voreinstellung für die meisten neuen Nutzer ebenfalls die beste. Muss eine Telefonnummer eingetragen werden, bietet es sich an, die Landesvorwahl einzutragen.

5. Merkt sich das System Zwischenergebnisse und Informationen?

Eine App kann absichtlich oder versehentlich geschlossen werden, ebenso ein Browser-Fenster. Entlaste deine Nutzer: Zwischenergebnisse, also zum Beispiel halb ausgefüllte Formulare, sollten gespeichert und später automatisch wiederhergestellt werden. Nichts ist ärgerlicher, als die gleichen Informationen erneut einzutippen.

Biete außerdem an, Daten – wo sinnvoll – wiederzuverwenden. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Adresse in Onlineshops: Häufig sind Rechnungsadresse und Lieferadresse identisch. Hier reicht es völlig aus, eine Adresse anzugeben, und bei der zweiten nur ein Häkchen zu setzen.

Dein Feedback macht die Usability-Karten noch besser

Die Usability-Karten haben sich bereits in unterschiedlichen Settings bewährt. Natürlich handelt es sich aber keineswegs um ein starres Regelwerk. Vielmehr ist es ein lebendiges Projekt, das wir iterativ weiterentwickeln. Welche Erfahrungen hast du mit den Karten gemacht? Wie lebst du Usability in deinen Projekten? Welche Fragestellung zur Aufgabenangemessenheit fehlt dir noch oder treibt dich um?


Über den Autor

Niels Boecker